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In kaum einer Marketingdisziplin ist in den letzten Jahren eine so flächendeckende Goldgräberstimmung ausgebrochen wie im Fachkräfterecruiting für Unternehmen aus dem Pflege-, Gesundheits- und Sozialwesen. Man muss schließlich nur eine zahlungskräftige Zielgruppe finden, die ein so großes und schmerzhaftes Problem hat, dass möglichst schnell viel Geld für die Lösung dieses Problems verlangt werden kann. Durch die steigende Bruttowertschöpfung in der Pflegewirtschaft und den sich immer weiter verschärfenden Fachkräftemangel war die Branche schnell als Hochpreiskunde identifiziert und zum Abschuss freigegeben.
Waidmannsheil!
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Anfang 2020/2021 war alles noch so einfach: bezahlte Stellenanzeigen in sozialen Netzwerken waren ein echter Gamechanger. Selbst die simpelsten Anzeigen wurden vom Algorithmus zielsicher auf den Endgeräten der potenziellen Bewerber platziert und qualifizierte Bewerbungen konnten am Fließband zu verhältnismäßig geringen Kosten generiert werden.
Schnell hatten klassische Marketingagenturen und Unternehmensberatungen den Bedarf bei Ihren Kunden erkannt und eine zusätzliche lukrative Einnahmequelle entdeckt. „Brot und Butter“ – Geschäft sozusagen, leicht verdientes Geld im Geschäftsalltag und durchaus sinnvoll für beide Seiten, allerdings ohne, dass jemand wirklich etwas von HR verstand.
„Wir suchen Dich, bewirb Dich jetzt!“ Viel mehr hat es damals eigentlich nicht gebraucht, denn für die Bewerber fühlte es sich neu und gut an, dass die Unternehmen sich auf einmal bei Ihnen bewarben und die Bewerbung spontan vom Handy aus erledigt werden konnte. Dass es so leicht war, an Bewerbungen zu kommen, sprach sich allerdings schnell herum.
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Angriff der Glücksritter
Schnell reich mit wenig Arbeit – wer sich zu fein war, ein Corona Testzentrum zu eröffnen, der versuchte es mit Online Marketing. Der Markt boomte und rief immer neue Quereinsteiger auf den Markt, um die sich wiederum ein ganzer Wirtschaftszweig aus Coaches versammelte, die bis heute Anfängern in teuren Seminaren die vermeintlichen Grundlagen vermitteln, um mit der eigenen Agentur durchzustarten. Wie man Anzeigen schaltet, wie man Vertrieb macht, was eine Positionierung ist und wie man sich auf kaufkräftige Kundschaft ’spezialisiert‘. Vor lauter Träumen vom großen Geld hat aber niemand daran gedacht, was passiert, wenn man vor lauter Wachstumsfantasien eigentlich gar keine gute Arbeit macht und „Wir suchen Dich“ nicht mehr funktioniert.
Zwischen 2023/2024 überschwemmten bereits tausende neuer Agenturen mit den immer gleichen Kampagnen die sozialen Netzwerke. Was bei dem einen Kunden zufällig funktioniert hatte, wurde 1:1 kopiert und dem Nächsten verkauft. Als allmählich die Ergebnisse ausblieben, wurde mit immer unrealistischeren Werbeversprechen und dem leichtfertigen Ausgeben fremder Werbebudgets reagiert – „Kein Wunder, dass sich niemand bewirbt, dafür brauchen Sie mindestens 50€ Tagesbudget!“ Sie hatten es ja nicht besser gelernt. Die Auswirkungen auf den Markt sind vernichtend und betreffen alle Unternehmen, selbst, wenn sie selbst bisher noch gar keine Anzeigen geschaltet haben:
Bewerber
- sehen die immer gleichen Anzeigen
- erleben Enttäuschungen aufgrund falscher Versprechen und verlieren das Vertrauen
- nehmen Anzeigen und Unternehmen als unseriös wahr
- sind immer schwieriger anzusprechen
Unternehmen
- Qualität und Anzahl der Bewerbungen sinken drastisch
- noch mehr Arbeit, immer höhere Kosten
- Arbeitgeberimage leidet
- Stellen bleiben unbesetzt
- verlieren das Vertrauen in Dienstleister
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Der angerichtete Schaden ist riesig. Während meiner Zeit als Creative Director habe ich Dutzende leiderprobter Unternehmen betreut und hinter den Recruitern “aufgeräumt”. Die abschließende Ernüchterung kam meist mit einem Blick ins Werbekonto: Mit den Agenturen war oft nicht nur viel Geld verbrannt, sondern auch der Zugriff auf Seiten und Datensätze verschwunden. Warum das so ärgerlich ist und Sie solche Abhängigkeiten unbedingt vermeiden müssen, beschreibe ich im nächsten Beitrag.
Social Recruiting heute
Zwar wird ein großer Teil der schwarzen Schafe mangels Erfolg schnell wieder verschwinden, entgegen aller Entwicklungen machen die übrigen Agenturen Recruiting aber immer noch so, als hätte sich nichts verändert. Regelmäßig werden angebliche neue Ansätze und revolutionäre KI- basierte Konzepte beworben, in der Realität machen die meisten aber weiter wie immer. Generische Recruiting Kampagnen gehören inzwischen zum Standardangebot und werden zwar für viel Geld verkauft, dürfen aber auf Agenturseite nicht zu viel Zeit und Ressourcen in Anspruch nehmen und werden nach dem immer gleichen Schema zusammengewürfelt. Die meiste Energie wird notwenigerweise in den Vertrieb und die Neukundengewinnung gesteckt.
Die nüchterne Erkenntnis: sie können es einfach nicht. Die meisten Marketingagenturen kommen aus völlig anderen Fachgebieten und haben wirklich großartige Expertise in Bereichen wie E- Commerce, Branding oder im B2B- Geschäft, aber keinerlei HR- Erfahrung.
Ein professioneller Partner für Social Recruiting betrachtet Ihren kompletten Bewerbungsprozess, Ihre Außenwirkung als Arbeitgeber und legt Wert auf eine enge und langfristige Zusammenarbeit mit hervorragenden Kundenergebnissen. Seriöse und kompetente Anbieter kümmern sich buchstäblich darum, dass Sie Ihre offenen Stellen besetzt bekommen und messen den Erfolg ihrer Arbeit nicht an hohen Bewerbungszahlen, sondern an der tatsächlichen Einstellung qualifizierter Mitarbeiter.
Wie man es richtig macht
Versetzen sie sich in die Perspektive Ihrer Wunschmitarbeiter und versuchen Sie, Ihre Bewerber zu verstehen! Sie sind auf der Suche nach Top- Mitarbeitern, die sich theoretisch aussuchen können, wo sie arbeiten möchten und die höchstwahrscheinlich bereits einen sicheren Job mit ähnlichen Verdienstmöglichkeiten haben. Die Ihren ganzen Alltag, Freizeit und Familie um diese Tätigkeit herum organisiert haben. Sich aus dieser Situation heraus in einem neuen Unternehmen zu bewerben, ist keine leichtfertig getroffene Entscheidung, sondern ein lebensverändernder Schritt!
In der flächendeckenden Austauschbarkeit von Werbeanzeigen und Jobangeboten liegt Ihre größte Chance. Ihre Bewerber vergleichen genau und scannen aufgrund vergangener Erfahrungen schnell, ob Sie als Arbeitgeber infrage kommen oder nicht. Liefern Sie potenziellen Kandidat*innen die entscheidenden Beweggründe, um den Komfort ihres Alltags zu verlassen und sich einem womöglich unangenehmen und anstrengenden Bewerbungsprozess auszusetzen? Finden potenzielle Bewerber alle wichtigen Informationen über die Stelle und Ihre Vorzüge als Arbeitgeber?
Vermeiden Sie Floskeln und sinnlos aneinandergereihte Benefits! Zwar hat gegen „flexible Arbeitszeiten“, „überdurchschnittliche Bezahlung“, ein „tolles Team“ etc. selbstverständlich kein Bewerber etwas einzuwenden und natürlich sind Benefits wie eine betriebliche Altersvorsorge, 30 Tage Urlaub oder kostenlose Getränke nice to have, aber sie sind inzwischen oft eine Selbstverständlichkeit. Wenn Ihre Stellenanzeige immer noch aus diesen und anderen Buzzwords besteht, dann sieht sie genauso aus wie mindestens 90% aller Stellenanzeigen, bietet keine relevanten Vorteile und wird von Top- Kandidaten innerhalb von Sekundenbruchteilen weggewischt.
Keep it simple! Halten Sie den Prozess für Ihre Bewerber schlank, verständlich und übersichtlich.
Social Recruiting funktioniert hervorragend, wenn man weiß, was man tut
Soziale Medien sind mit über 67 Millionen Nutzenden in Deutschland nach wie vor die reichweitenstärksten Kanäle. Um das Vertrauen der Bewerber zurückzugewinnen, müssen Sie sich die Vergleichbarkeit der Stellenangebote zunutze machen. Nutzen sie unsere Übersicht über die Candidate Journey und versuchen Sie mögliche Fragen, die Ihre Bewerber haben könnten, möglichst früh im Prozess zu beantworten!
Wenn Sie Hilfe bei der Umsetzung brauchen, beraten wir Sie gern kostenlos und unverbindlich, welche Strategie für Ihr Unternehmen die richtige ist.